Q&A
mit Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirtin /
Head of Research & Advisory
Helaba
Interview
Zinsentwicklung: Wenn wir eine Wohnung als Kapitalanlage erworben haben war es bisher möglich, für Zins + Tilgung nicht mehr als 3% auszugeben. Heute sieht das plötzlich ganz anders aus und allein die Zinsen liegen bei 3%. Wie sehen Sie diese Entwicklung (kurz-, mittel- & langfristig), werden die Baufinanzierungszinsen weiter steigen, wieder etwas sinken oder sich auf dem jetzigen Niveau einpendeln und lohnt es sich dann immer noch eine Wohnung zu finanzieren?
Die Finanzierungszinsen befinden sich zwar im langjährigen Vergleich noch auf recht niedrigem Niveau, sie haben sich aber in sehr kurzer Zeit mehr als verdoppelt. Der Anstieg wird sich mit dem in Kürze beginnenden Zinserhöhungszyklus der EZB fortsetzen, aber vermutlich nicht in diesem Tempo. Die langfristige Zinsentwicklung hängt vor allem mit den gesamtwirtschaftlichen Perspektiven zusammen. Sollte sich die Konjunktur deutlich abkühlen oder sogar in die Rezession geraten, wird die Geldpolitik mit einem erneuten Kurswechsel reagieren und die Zinsen wahrscheinlich wieder sinken. Ob sich die Finanzierung von Wohnimmobilien trotz höherer Zinsen heute oder morgen noch lohnt, muss die Investorin am konkreten Objekt kalkulieren. Auf jeden Fall zeigt die jüngste Entwicklung am Kapitalmarkt, wie wichtig eine solide Finanzierung, ein nicht zu hoher Fremdkapitalanteil und eine möglichst längere Zinsbindung sind, um gegen solche „Überraschungen“ von der Zinsseite abgesichert zu sein.
Materialknappheit: Die Baukosten sind gerade massiv angestiegen, Baumaterial ist knapp. Werden sich die Lieferketten wieder „einruckeln“ – wo sehen Sie die Baukosten (kurz-, mittel- und langfristig)?
Die hohe Nachfrage und ein knappes Angebot haben die Baupreise in Deutschland in die Höhe getrieben. Immerhin lagen die Preise für den Wohnungsneubau im ersten Quartal 2022 um mehr als 14 % über dem Vorjahresniveau. Und hier sind die zusätzlichen Knappheiten durch den Krieg in der Ukraine und die Probleme durch die jüngsten Lockdowns in China noch gar nicht sichtbar. Zwar könnten sich die Lieferkettenprobleme bald wieder etwas entspannen. Die Nachfrage nach Wohnraum bleibt in Deutschland aber hoch und das Angebot knapp – dafür sprechen schon die sehr hoch ausgelasteten Kapazitäten und der markante Fachkräftemangel in der Branche. Es gibt also jenseits der aktuellen Lieferkettenstörungen gute Gründe für weiter steigende Preise am Bau. Selbst wenn die Preise für Baumaterialien also mittel- bis langfristig nicht mehr so kräftig zulegen, bleibt ein Problem langfristig erhalten: Der Fachkräftemangel wird sich demographisch bedingt noch verschärfen und für höhere Lohnsteigerungen sorgen.
Immobilienpreise: Die Finanzierungskosten sind gestiegen, die Immobilienpreise aber noch nicht gefallen. Wie wird sich der Markt aus Ihrer Sicht entwickeln? Sollten wir mit dem Ankauf neuer Kapitalanlagen warten (bis wann) oder können wir auch heute noch zuschlagen?
Fundamentale Gründe wie die hohe Nachfrage nach Wohnraum und ein nach wie vor zu knappes Angebot dürften den deutschen Wohnungsmarkt bis auf weiteres stabilisieren. Die konjunkturellen Belastungen durch den Ukraine-Krieg und vor allem die kräftig gestiegenen Zinsen sind aber durchaus eine Herausforderung für den Immobilienmarkt. Angesichts der höheren Finanzierungskosten wird der Wohneigentumserwerb für zahlreiche Interessenten nicht mehr erschwinglich sein, die Kalkulation auch für manchen institutionellen Anleger nicht mehr aufgehen. Zudem eröffnen die steigenden Zinsen für manche Investoren nun endlich wieder Anlagealternativen gegenüber Immobilien. Insgesamt dürfte sich daher die Immobilieninvestmentnachfrage beruhigen und der Preisauftrieb zumindest verlangsamen. In einzelnen, besonders hoch bewerteten Marktsegmenten sind Preisrückgänge nicht auszuschließen, eine Korrektur am Gesamtmarkt sehe ich aber nicht. Nach gründlicher Prüfung eines Immobilienobjektes spricht daher weiterhin grundsätzlich nichts gegen den Immobilienerwerb.

Erfahre mehr: Unsere Blogs.